“Die Sehnsucht nach dem Leben zieht mich in die Welt hinaus”

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Stefan Tschumi

Stefan liebt es, die Welt zu bereisen und unvergessliche Momente mit der Kamera festzuhalten. Ach ja, Kaffee liebt er auch.

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Das ist Leben! Ein Ausruf den ich immer wieder höre und lese. Manchmal huldigt er dem Kauf eines neuen Autos. Ein anderes Mal wird er herbeigezogen, während das dritte Bier am Strand von Mallorca konsumiert wird. Auch habe ich den Ausruf beim Nachtessen wahrgenommen. Ein über ein Steak gebeugter Herr verlieh seiner Freude damit Ausdruck. Sehr befremdend, wenn man eine solche Aussage trifft, während auf dem Teller ein Stück totes Tier liegt. Und irgendwie doch passend. Denn so liegen wir auch mal da. Also tot meine ich, nicht gegrillt und in Stücke geschnitten. Aber so oder so, vorbei ist vorbei. Und was bleibt dann? Was bereuen wir am Ende? Was war für uns Leben? Diese Frage scheint auf den ersten Blick banal und wird bei genauerem Betrachten zum viel zitierten Rabbit Hole. Eine abschliessende Antwort verwehrt sich mir, doch eines weiss ich mit Gewissheit, ein grosser Teil lässt sich bei mir unter einem Wort zusammenfassen: Reisen.

Wer selbst gerne und viel reist, der kennt die Frage nach dem Warum. Sie wird einem immer wieder gestellt und ich denke, es ist unabdingbar, sich diese Frage auch mal selbst zu stellen. Für mich ist die Antwort einfach und kompliziert zu gleich, denn Reisen bedeutet für mich die Sehnsucht nach dem Leben und ich unterscheide stark zwischen Urlaub und Reisen. Denn Reisen ist alles andere als Urlaub.

Stefan in Costa Rica

Reisen du bitter süsse Versuchung

Wenn ich ein Gefühl sehr gut kenne, dann ist es jenes Empfinden von Sehnsucht, welches ich immer dann fühle, wenn ich am Flughafen Zürich vorbeifahre, ein Flugzeug über mir erblicke oder in der Stadt mit touristischen Werbeplakaten konfrontiert werde, auf denen Landschaften zum sehnsüchtigen Eintauchen einladen. Soweit ich mich zurückerinnern kann, war es immer da, dieses Gefühl, die Welt sehen zu wollen, gepaart mit der Neugierde auf mir unbekannte Kulturen. Es gibt nicht viel aus meiner Grundschulzeit, an das ich mich bis heute in allen Details erinnern kann. Aber ich weiss noch ganz genau, wie wir damals in der ersten Klasse die verschiedenen Völker der Erde behandelt haben. Für mich war es der Stoff aus dem Träume sind. Da war von der weiten Prärie die Rede, von indigenen Völkern Nord- und Südamerikas, von versunkene Maya-Stätten und der wohl berühmtesten Inca Ruine überhaupt, Machu Picchu. Von Menschen, die im Amazonas Regenwald leben. Von Traditionen, ursprünglichen Lebensweisen und alter Handwerkskunst. Es viel mir nie sonderlich schwer, mich für Dinge zu begeistern. Doch was hier mit mir geteilt wurde, das zog mich regelrecht in den Bann und so wollte ich eigentlich nichts mehr, als sofort nach Hause, meinen Rucksack packen und losziehen, hinaus in die Welt. Das ist ein riesiges Problem, wenn man gerade mal sechs Jahre alt und finanziell so blank wie die Credit Suisse im März 2023 ist. Zugegeben, auch Geld hätte mein Problem wohl nicht vollumfänglich gelöst. Aber die flüssigen Mittel waren doch lange der Grund, warum meine Familie und ich zwar immer mal am Flughafen waren, aber nur immer, um entweder Leute zu begleiten oder Rückkehrende aus der Ferne willkommen zu heissen. Es ging das eine oder andere Mal nach Norwegen, aber wirklich in die Ferne zu reisen, das lag nicht drin. Und so wurde der Flughafen Zürich für mich zu einem ganz besonderen, bittersüssen Ort. Bitter, weil ich nicht in die Ferne fliegen konnte. Noch nicht. Süss, weil er das Tor zur Welt darstellt. Hier treffen sich Reisende. Die Fremde scheint zum Greifen nah zu sein. Und so wuchs sie immer weiter, die Sehnsucht, von der ich damals noch nicht wusste, dass sie sich niemals stillen lässt.

Stefan Great Ocean Road

Mit Kit Kat via Madagascar nach New York

Reisen war für mich bis zu meiner Ausbildungszeit ein abstrakter Begriff. Ferien, Urlaub, damit konnte ich was anfangen. Doch in meinem Kopf schwirrten Bilder umher, inspiriert durch Hollywood und die Videospiel-Welt. Es waren Bilder, die stark an Indiana Jones und Tomb Raider erinnern – und nein, ich sah mich nicht in Hotpants und hautengem Top die Welt erkunden. Aber ich sah mich die Welt erkunden. Mit Fernglas, Kamera und Rucksack – obschon ich damals von Fotografie noch so viel Ahnung hatte wie Einstein von Videospielen. Das änderte sich nach einem Telefonanruf, welchen ich eigentlich gar nie entgegennehmen wollte. Als ich einst nach Hause kam, meinte meine Mutter, es hätte jemand von Kit Kat angerufen und gesagt, ich hätte den Hauptreis gewonnen. Ich erwiderte nur, sie solle nicht alles glauben und legte es unter der Kategorie «Billige Verkaufsmasche» ab. Am nächsten Tag klingelte es erneut, meine Mutter machte mich darauf aufmerksam, dass es die gleiche Nummer sei wie am Vortag. Widerwillig, ging ich ran und dann viel es mir wie Schuppen von den Augen. Tatsächlich hatte ich vor Wochen an einem Wettbewerb teilgenommen. Er war von Kit Kat. Zu gewinnen gab es DVDs vom kürzlich erschienenen Animationsfilm Madagascar. Und als Hauptpreis eine Reise nach New York – was ich aber gar nicht gelesen hatte, da ich auf die DVD fixiert war. Diese habe ich nicht gewonnen, dafür aber tatsächlich diese Reise nach New York. So fand ich mich schon kurz darauf in einem Airbus 330 der Swiss in Richtung Big Apple wieder. Es war der Startschuss für viele weitere Reisen. Denn das Unterwegssein fühlte sich enorm gut an. Es war anders als das gewohnte Gefühl von Zuhause. Irgendwie lebendiger. Denn die Sinne scheinen unterwegs geschärfter zu sein. 

Stefan Boot Costa Rica

Du nimmst dich selber immer mit

Geschärfter müssen die Sinne wohl auch sein, denn spätestens wer abseits der touristischen Pfade unterwegs ist, sieht sich immer mal wieder mit Situationen konfrontiert, die nicht wie geplant laufen. Und genau hier, abseits dieser Touristenbubbles trifft man auf die Menschen, welche die Reisen zu unvergesslichen Erlebnissen machen. Menschen, die es vermögen, unsere Herzen zu berühren und uns gleichzeitig eine Welt zeigen, die uns fremd ist. Dabei gilt es eine goldene Regel zu beachten: nicht vergleichen. Denn wer ständig den Vergleich mit Zuhause zieht, wird auf Reisen nicht glücklich werden. Schliesslich zieht man ja auch in die Welt hinaus, um das Andere, das Fremde zu sehen. Dies hoffe ich zumindest. Denn Reisen ist die beste Medizin gegen Vorurteile. Das bedingt aber, dass wir offen sind für die Momente und aus Neugierde reisen und nicht aus einer Flucht heraus. Ich habe es schon erlebt, dass Menschen weg wollen. Raus aus dem gewohnten Umfeld. Daran ist nichts falsch. Aber man sollte nie vergessen, dass man sich selbst immer mitnimmt. Das heisst, egal ob Zuhause oder in einem fernen Land, du selbst bist immer mit dabei.

Weil die Sinne auf Reisen stets auf Hochtouren laufen, man permanent mit neuen Orten und Menschen konfrontiert ist und zudem Probleme löse muss, die Zuhause im Meer der Selbstverständlichkeit gar nie zum Thema würden, kann Reisen für die einen oder anderen Menschen purer Stress sein. Sie bevorzugen es, sich in einer Hotelanlage zu verkriechen und die zwei Wochen Pauschalurlaub all inclusive zu geniessen. Das ist okay. Ich bin aber von dieser Sehnsucht nach dem Leben getrieben. Ich möchte die ersten Sonnenstrahlen des Tages erblicken und sehen, wie die Fischer rausfahren oder schon wieder rein kommen mit dem Tagesfang.  Ich möchte mich in der Fremde zuhause fühlen. Denn etwas lernt man auf Reisen kennen: Gastfreundschaft. Die Menschen, die am wenigsten haben, geben am meisten. Das einmal selbst zu erleben, verändert dich und die Einstellung zu sehr vielem. Wer reist, sieht die Welt mit anderen Augen. Da draussen in der Welt gibt es so viele Geschichten zu entdecken und so viel Schönes zu sehen. Die Welt ist ein wunderbarer Ort.

Reisen – Das wunderbares Lebenselixier

Wenn wir uns mal einen Moment Zeit nehmen und über unser Leben nachdenken, so ist eines so oder so klar: Wir werden niemals in der Lage sein jeden Winkel dieses wunderbaren Planeten zu sehen, denn unsere Zeit hier auf Erden ist begrenz. Daher wäre es extrem schade, sich nicht wenigstens so viel von der Welt anzusehen, wie irgendwie möglich. Das Reisen ist eine super Lebensschule. Denn wenn wir dorthin gehen, wo die Einheimischen sind und uns auf ihre Kultur einlassen, wird uns aufgezeigt, dass die Art und Weise wie wir leben, nur eine von vielen ist. Nicht gut, nicht schlecht. Sie ist. Wie alles. Wir in Westeuropa und in anderen Teilen der so genannten zivilisierten Welt (ein scheusslicher Begriff), leben in einer Bubble. Im Vergleich zu anderen Menschen, haben wir keine Probleme. Wir müssen uns keine Gedanken machen, woher unsere nächste Mahlzeit kommen soll. Wir haben von allem genug. Oder besser: von allem viel zu viel. Um das zu realisieren muss man nur mal in den Supermarkt schlendern. Die Auswahl ist unglaublich und sinnbefreit zugleich. Kein Mensch braucht eine derart grosse Auswahl an Milchprodukten, Broten und Pasta. Oder Tierfutter…

Stefan in Namibia

Wir erledigen unser Geschäft in Trinkwasser und wechseln unsere Kleiderkollektionen mehrfach pro Jahr. Und sei dem nicht schon genug, so schmeissen wir dann auch noch Lebensmittel weg, weil wir sie nicht konsumieren. Man sollte meinen, Menschen, die in diesem Wohlstand leben, seien glücklich. Doch das Gegenteil ist der Fall. Wo keine Probleme sind, da werden Probleme gemacht. Genau hier kann das Reisen ein wunderbares Heilmittel sein. Man muss das Fremde sehen, um das Vertraute zu begreifen. Wir brauchen die Distanz vom eigenen Alltag und die Auseinandersetzung mit anderen Menschen und Kulturen, um nicht nur zu erkennen, sondern auch zu verstehen. Reisen verändert mich, immer und immer wieder. Je mehr ich es tue. Je länger ich in anderen Ländern unterwegs bin, desto grösser wird die Liebe zum Reisen. Desto stärker ist die Sehnsucht nach der Ferne. Ich bin zwar in der Schweiz wohnhaft, doch zuhause bin ich in der Welt. Reisen ist für mich eine Art Lebenselixier. Ein unheimlich starkes noch dazu. Gepaart mit der Fotografie entsteht für mich so die schönste Symbiose.

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Mich zieht es in die Ferne, weil ich das Unterwegssein liebe und ich getrieben bin von der Neugierde. Die Neugierde nach Orten, Menschen und Kulturen. Der Dalai Lama hat es einst wie folgt formuliert: «Gehe einmal im Jahr irgendwo hin, wo du noch nie warst.» Wir sollten dieser Aufforderung nachkommen und uns ganz dem Prozess des Unterwegsseins hingeben.

Auf dem Blog von Tamron gibt es noch weitere Travel-Stories mit mir:

Mit leichter Ausrüstung durch Marokko

Das Schlangenauge – Unterwegs in Costa Rica

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