Es darf keine Reisescham entstehen wegen Corona

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Stefan Tschumi

Stefan liebt es, die Welt zu bereisen und unvergessliche Momente mit der Kamera festzuhalten. Ach ja, Kaffee liebt er auch.

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Es sind verrückte Zeiten. Vor einem Jahr war es eine Selbstverständlichkeit am Flughafen den Reisepass zu zücken, in das Flugzeug zu steigen und wenige Stunden später auf einem anderen Kontinent angekommen, das nächste Fotografie- oder Videoprojekt zu starten. Heute wirken diese Erinnerung, als kämen sie aus einer weit entfernten Vergangenheit. In gewissem Masse ist das auch so. Es herrscht ein regelrechte Reisescham.

Wollen wir heute Reisen, müssen wir schauen, was überhaupt möglich ist. Aktuell ist die Schweiz ein Hochrisiko-Gebiet. Dies bedeutet, dass wir vielerorts nur mit Quarantäne und mancherorts sogar gar nicht mehr ins Land einreisen dürfen. Nichtsdestotrotz wollen wir reisen. Die Welt sehen, unseren Horizont erweitern. Die Neugierde auf das, was da draussen auf uns wartet ist ungebrochen. Die Neugierde ungebrochen und die Liebe zum Reisen grösser denn je. Daraus machen wir keinen Hehl. Mal ehrlich, wer hat nicht direkt Fernweh bei diesen Bildern.

Sonnenaufgang in Bagan
Sonnenaufgang über einem Tempel in Bagan

Viele verstehen dies nicht. Entgegnen, dass dies doch aktuell unangebracht sei. Man reise schliesslich in diesen Zeiten nicht. Es scheint, als grassiere gerade eine Art Reisescham. War es vor zwölf Monaten noch cool, um die Welt zu fliegen, ist dies heute ein Affront. Wäre dies aus Gründen des Umweltschutzes der Fall, wir hätten Verständnis. Würden es sogar löblich finden. Denn es sind wichtige Gedanken. Aber eine Reisescham auf Grund von Corona, das sollte es nicht geben.

Die Reisescham als Gefahr

Wir sind der festen Überzeugung, dass das Reisen von elementarer Wichtigkeit ist. Durch den Austausch mit fremden Kulturen werden wir unweigerlich auch mit unserem Sein und unserem eigenen Handeln konfrontiert. Das Reisen öffnet unsere Augen und erweitert unseren Horizont. Es sorgt dafür, dass Menschen toleranter gegenüber anderen Lebensweisen werden. In den letzten Jahren hatten wir den Eindruck, die Welt wachse zusammen. Keine Grenzen mehr in der EU. Freies Reisen. Digitale Vernetzung. Durchmischung der Lebensstile. Die Welt war ein Dorf. Plötzlich aber sind die Grenzen wieder da. So richtig. Unweit unseres Zuhauses wurden während des Lockdowns im April 2020 sogar ein Zaun hochgezogen, damit wir die Grenze nach Deutschland nicht mehr passieren konnten. Diese physische Grenze ist jetzt glücklicherweise wieder weg. 

Aktuell werden jedoch imaginäre Grenzen geschaffen. Es bilden sich Gräben, die tiefer zu sein scheinen als je zuvor. Das Handeln der Menschen ist aktuell von Angst geprägt – und Angst ist nie ein guter Ratgeber. Die Ratio bleibt auf der Strecke, Misstrauen macht die Runde. Der Rechtsrutsch, welcher in vielen Ländern auszumachen ist, scheint stärker zu werden. Es grassieren Parolen, welche stark an eine Zeit um 1937 erinnern. Was dann von 1939 bis 1945 die Welt prägte, dürfte glaube ich klar sein. Die Weltmacht USA kämpft heute mit riesigen innenpolitischen Problemen. Und dann ist da dieses Corona, welches dafür sorgt, dass stetig nach links und rechts geblickt wird. Wer bringt als nächstes die Gefahr? Italien, die Schweiz? China hat es gut im Griff. Die nicht. Aber Spanien, Schweden, Peru. Das globale Dorf scheint nun eine Gefahr zu sein.

Doch was bringen eigentlich diese künstlichen Grenzen, die errichtet werden? Sitzen wir nicht alle im genau gleichen Boot? Gab es nicht schon immer Krisen? Und wird es die nicht immer wieder geben? Hängt nicht auch viel schlicht und einfach mit unserem Mindset zusammen, wie wir mit diesen Zeiten umgehen? Ergeben sich nicht sogar Chancen?

Den Blick für die Welt nicht verlieren

Wege Corona rücken die wirklich wichtigen Themen komplett in den Hintergrund. Wir wollen Corona nicht bagatellisieren und sind froh, selber nicht daran erkrankt zu sein. Es ist eine Tragödie, wie viele Träume von Menschen zerstört wurden durch dieses Virus. Menschen, die beispielsweise erst vor kurzem noch ihren Lebenstraum verwirklicht hatten und ein eigenes Restaurant eröffnet hatten. Menschen, die ihren Traum vom eigenen Reisebüro lebten. Wir hoffen, den ungebetenen Gast schnell wieder loszuwerden. Aber nichtsdestotrotz gibt es die ganz grossen Probleme, die riesigen Herausforderungen, welche jetzt einfach so komplett in den Hintergrund rücken. Extreme Armut, Krankheiten, wie Malaria und Ebola, die Abholzung des Amazonas, das Plastikproblem und die Wilderei, um nur einige zu nennen. Das sind Herausforderungen, welche uns seit Jahren und wohl noch für Jahre beschäftigen werden. Diese sollten wir nicht aus den Augen verlieren. 

Wenn die Leute reisen, werden sie mit solchen Themen konfrontiert. Durch Corona sitzen aber alle in ihrer Bubble, fokussiert auf sich und eben dieses Virus. Um es nochmals festzuhalten, wir wollen an dieser Stelle auch gewiss nichts bagatellisieren, denn wir haben alle eine Verantwortung. Eine gegenseitige. Und wenn diese Phase vorbei ist, müssen wir einander wohl sehr viel verzeihen. Aber das ist eine andere Story. Vielmehr ist es doch so, dass wir wahrscheinlich mit solchen Situationen leben müssen, sei es Corona oder irgendein anderes Virus, welches unseren Alltag prägt. Früher gab es Weltkriege. Zum Glück kämpfen wir nicht damit. 

Gerade weil die Welt heute so vernetzt ist, sollten wir nie aus den Augen verlieren, dass uns Corona und all die anderen Probleme alle gemeinsam betrifft. Wir sitzen im gleichen Boot. Kämpfen mit den gleichen Schwierigkeiten, können es nur gemeinsam schaffen. 

In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat das Reisen dafür gesorgt, dass die Welt ein besserer Ort wird. Die Welt war schliesslich nie so sicher wie 2019. Auch wenn Presseberichte anderes suggerieren. Wer raus in die Welt gezogen ist hat gemerkt, dass die Welt ein friedlicher Ort ist. Voll mit wunderbaren Menschen und das Bild, welches entsteht, wenn man mit dem Rucksack auf dem Rücken die Welt entdeckt, so ganz anders ist als jenes, welches zuvor konstruiert wurde. Genau deshalb darf keine Reisescham entstehen. Auch nicht wegen Corona. Wir sollten neugierig bleiben auf das, was da draussen auf uns wartet. Auch wenn dies die Unsicherheit ist. Das ist nun mal das Leben. Und dieses will gelebt werden. Auf verschiedene Art und Weisen. Welche? Die gilt es zu entdecken. Nicht vor dem Fernseher. Sondern in dem man die Schuhe zuschnürt und den Schritt vor die eigene Haustüre wagt.

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