Gunung Agung, Mount Gunung oder einfach Vulkan in Bali. Der Name dominierte unsere News für Wochen während den Herbstmonaten. Agung ist einer von rund 130 Vulkanen in Indonesien. Doch anders als viele andere, ist er aktiv, sehr aktiv. Im September 2017 wurden zehntausende Menschen evakuiert. Eine Gefahrenzone rund um den Vulkan wurde eingerichtet – und wir hatten Tickets nach Bali gebucht.
Unsere Weltreise führte uns Ende November auf die wunderbare Insel Bali. Im Vorfeld war Gunung Agung für uns ein grosses Thema. Die Berichte in den News lösten aber bald Unsicherheit aus. Trotz offenen Fragen zur Lage und Regenzeit in Bali, wollten wir hin. Um den Hype um Bali zu verstehen. Um die Insel zu erleben und um herauszufinden, warum alle mit denen wir sprechen, Bali so lieben. Wir flogen also hin.
Gunung Agung ist ruhig – bis zu unserer Ankunft
Nach dem September wurde es dann tatsächlich ruhig rund um den Mount Agung. Was die Newslage anbelangt, aber auch, was die Aktivität des Vulkans anbelangt. So ruhig, dass wir ihn bis zu unserem Abflug in Adelaide total vergassen und die Behörden die Schutzzone von 10 Kilometern auf 7.5 Kilometer reduzierten. Wir flogen also planmässig nach Bali, um dort unseren besten Freund Hoef zu treffen. Hoef kam aus der Schweiz, um uns in Bali für neun Tage Gesellschaft zu leisten. Das ist von Bedeutung, weil es da so einen gewissen Insider-Scherz gibt. Wir sagen gerne, dass wenn etwas passiert, passiert es Hoef. Eine Aussage, die in Bezug auf Mount Agung bedeuten würde, dass wenn dieser ausbricht, wird er dies tun, solange Hoef auf Bali ist. Gelandet sind wir am 17.11.17. Der Vulkan war ruhig. Bis zum 21. November. An diesem Datum erfolgte eine erste Eruption. Weitere sollten folgen.
Trügerische Idylle
Auf Bali angekommen, war für uns alles normal, der Vulkan weit weg. Von der ersten Eruption bekamen wir nichts mit. Schnell aber gewannen wir einen neuen Freund, Andy unseren Fahrer. Er zeigte uns die Insel und brachte uns zu den besonderen Orten in Bali, immer auf der Suche nach einem schönen Fotospot. Am 24. November schrieb er uns, er hätte da einen super Spot mit Blick auf Mount Batur und im Hintergrund Gunung Agung. Am nächsten Morgen machten wir uns um vier Uhr morgens auf, um zu diesem Spot zu fahren und den Sonnenaufgang zu fotografieren. Es war ein wunderbarer Morgen. Niemand ausser uns war dort. Während der blauen Stunde zogen einige Nebel auf. Der Blick auf Gunung Batur und Gunung Agung war frei. Die Goldene Stunde und generell die Lichtsituation an diesem Morgen waren überwältigend. Eine wahre Idylle, wäre da nicht der Rauch beim Mount Agung gewesen. Ich fragte Andy während dem Fotografieren noch, ob der Berg dort hinten jetzt eigentlich dieser in zwischen weltweit berühmte Vulkan sei? Er erwiderte mit ja. Daraufhin kam meine Frage, ob es normal sei, dass so viel Rauch aus dem Krater aufsteigt? Dies wiederum, beantwortete er mit nein und meinte, der Vulkan verhalte sich so, als würde er bald ausbrechen. Wir fuhren nach unserem Shooting zurück nach Ubud, nicht wissend, was am Abend noch passieren sollte.
Nur vier Stunden nach unserer Rückkehr erfolgte die zweite Eruption des Vulkans innert einer Woche. Asche schleuderte rund 2’000 Meter in die Luft. Menschen in der Nähe wurden verletzt. 18 Flüge wurden gestrichen und 2’100 Menschen sassen am Flughafen Denpasar fest. Satelliten verzeichneten eine neue Öffnung beim Krater. Kein gutes Zeichen für Leute wie uns, die ein Flugticket nach Kuala Lumpur für den 26. November gebucht hatten.
Aller guten Dinge sind drei – aller schlechte ebenfalls
Für unseren letzten Tag in Bali hatten wir am Vorabend noch spontan einen Besuch im Elefanten Sanctuary von Bali eingeplant. Dieses liegt nördlich von Ubud, in Fahrtrichtung zum Mount Agung. Zum Zeitpunkt, als wir das Sanctuary besuchten, wussten wir noch nichts von der zweiten Eruption des vergangenen Abends. Hoef bekam eine Whatsapp Nachricht einer balinesischen Freundin, welche ihn auf den Vulkan hinwies. Wir fragten Andy, was los sei. Er kontaktierte kurz einen Freund, der in der Nähe des Vulkans wohnt. Kurze Zeit später hatte er ein Video auf dem Smartphone, welches einen sehr aktiven Mount Agung zeigte. Riesige schwarze Rauchsäulen waren über dem Vulkan zu sehen. Der Himmel war leicht rot gefärbt. Wir fingen an zu recherchieren und checkten schon einmal unsere Flüge ein. Steffi und ich nach Kuala Lumpur, Hoef nach Singapur. Beides klappte problemlos. Wir erfuhren, dass nicht alle Airlines die gleiche Politik fuhren. Während Carrier wie Qantas, Jetstar, Air Asia und Cathy Pacific sämtliche Flüge von und nach Bali strichen, flogen andere wie Malaysia Airlines und Singapore Airlines munter weiter. Für uns bedeutete dies, wie geplant weitermachen und am Nachmittag in Richtung Flughafen Denpasar aufbrechen. Auf dem Weg zurück nach Ubud kamen uns mehrere Busse entgegen, welche in Richtung Vulkan fuhren, um dort Menschen zu evakuieren. Schwierig, in einer solchen Situation nicht in Nachdenklichkeit zu verfallen und einfach so weiter zu machen, als würde nichts Aussergewöhnliches im Argen liegen.
Der Geschmack von Asche in der Luft
Für mich stand schnell fest, dass für den Fall, dass unser Flug nicht gehen würde, ich hochfahren möchte in den Norden. Nicht aus Gründen der Sensationslust. Aber wenn ich schon auf Bali bin und nicht fliegen kann, dann könnte ich mir wenigstens selber ein Bild der Situation machen und vielleicht irgendwo helfen.
Auf dem Weg zum Flughafen erfuhren wir dann von der dritten Eruption. Dieses Mal wurde Asche je nach Quelle rund 4’000 – 6’000 Meter in die Luft geworfen. Die Alarmstufe für den Flugverkehr wurde zudem auf Code Red geändert. Von unseren Airlines gab es keine näheren Informationen zum Status. Niemand wollte sich zu einer Aussage verleiten lassen, welche sich später als falsch herausstellen würde. Auch die Schweizer Botschaft in Jakarta hielt sich bedeckt. Wir sollen unsere Airline kontaktieren und die Situation im Auge behalten. Danke für diese wertvolle Mitteilung.
Bei der Anfahrt auf das Terminal Denpasar fiel uns eine schwarze Wolke auf. Im Terminal sprachen viele von dem Geschmack von Asche in der Luft. Ob dies stimmte, kann niemand von uns sagen. Bali hat im November Regenzeit und die Wolke sah für mich doch eher aus wie eine Regenwolke. Zudem ist in Bali so gut wie immer ein gewisser Duft in der Luft, nicht zuletzt wegen den vielen Räucherstäbchen.
Andy hat auf dem Weg zum Flughafen zwei Mal mit seinem Freund telefoniert, der in der Nähe des Vulkans lebt. Dieser meinte, der Wind würde so wehen, dass die Flüge ab Denpasar raus könnten. Der Flughafen in Lombok wurde unterdessen geschlossen. Lombok war als Ausweichflughafen eingeplant, für den Fall, dass ab Bali nicht mehr geflogen werden könnte. 100 Busse standen bereit, um die Passagiere in Richtung Nachbarinsel zu bringen. Dieser Plan war jetzt nicht mehr in Kraft.
Journalisten und Passagiere
Ein aktiver Gunung Agung bedeutet auch eine Menge Journalisten und ratlose Passagiere am Flughafen. Als wir in Richtung Check-In wollten, wurden wir von einer blonden Dame aus Frankreich angesprochen. Sie stellte uns einige Fragen. Wir sahen wohl irgendwie informiert aus. Es stellte sich heraus, dass sie für das französische Radio arbeitet und versucht, einen Bericht für die Morgenshow zu machen. Sie war nur per Zufall auf Bali, da eine Freundin von ihr geheiratet hat. Wir teilten die Infos mit ihr, welche wir hatten und liessen sie unseren Hotspot mitbenutzen. Mehr konnten wir in diesem Moment nicht tun. Da sie auf demselben Flug war wie wir, sahen wir sie immer wieder am Flughafen. Sie war besorgt, wie viele andere Passagiere auch. Zwischen den Fluggästen waren immer wieder Journalisten auszumachen, welche versuchten, irgendwie Berichte für ihre Arbeitgeber auf die Beine zu stellen.
Am Ende blieb aber nicht mehr zu sagen wie: Die einen Airlines fliegen, die anderen nicht. So einfach war das. Niemand wusste, was als nächsten mit dem Vulkan passieren würde. Prognosen zu machen, war ein Ding der Unmöglichkeit.
Unsere Maschine hob schlussendlich mit einer Verspätung von rund 30 Minuten in Bali ab. Mit ihr Menschen, die zuerst einmal einordnen müssen, was gerade auf Bali passiert. Wir fliegen einfach davon, die armen Einheimischen aber, bleiben zurück. Wir sorgen uns darum, ob unser Flug durchgeführt wird, die Balinesen sorgen sich wohl darum, ob morgen ihr Zuhause noch steht. Während ich diese Zeilen schreibe blicke ich immer wieder zum Fenster des Platzes 26F heraus, sehe Lichter auf dem Ozean und hoffe, dass bei der Landung in Kuala Lumpur eine Nachricht von Hoef reinflattert, deren Inhalt besagt, dass er nach Singapur fliegen konnte. Eine Nachricht von Andy, dass er gut nach Hause gekommen ist und ein Twitter-Feed der Entwarnung an der Vulkan-Front gibt. Die Menschen von Bali hätten es verdient.